
(Anti-)Scheutraining. (Anti-)Schrecktraining. Desensibilisierung. Gelassenheitstraining. Es gibt so viele Begriffe für das Bearbeiten von Pferdeängsten. Leider steckt meistens der Wunsch / das Ziel dahinter, dass das Pferd sich nicht mehr erschreckt. Das ist ein total nachvollziehbarer Wunsch. Denn in Schreckmomenten ist meist viel Energie da und das Pferd kann schnell unkontrollierbar werden. Ein Pferd, das sich erschrocken hat kann mit Flucht reagieren, aber auch in den Kampf gegen den Menschen gehen, wenn es an der Flucht gehindert wird. Jetzt nur daran zu trainieren, dass das Pferd seine Schreckimpulse unterdrückt ist nicht hilfreich. Es braucht viel mehr. Impulskontrolle, Umgang mit Reizen, Vertrauen und eine gute Beziehung zum Menschen. Die Entwicklung dieser Fähigkeiten ist das oberste Ziel im Gelassenheitstraining mit dem Physio-Riding® Konzept. Und wie das geht stelle ich Euch in diesem Blogartikel vor.
Inhaltsverzeichnis
Physio-Riding? Noch nie gehört…
Gelassenheit steht vor dem körperlichen Training
Die Haltung des Menschen ist entscheidend
Grundsätze des Gelassenheitstraining nach dem Physio-Riding® Konzept
Wie läuft Gelassenheitstraining mit dem Physio-Riding® Konzept ab?
Muss ich dann immer an der Gelassenheit arbeiten?
Physio-Riding? Noch nie gehört…
Für alle, die bisher noch nichts vom Physio-Riding® Konzept gehört haben eine kurze Erklärung: Physio-Riding® entwickelt sich seit 1998, als Sabine Bruns als eine der ersten Tierphysiotherapeutinnen Deutschlands die bestehende Reitlehre mit ihrem neu erworbenen Wissen überprüfte. Sie fand gutes, aber auch verwirrende Anweisungen, unphysiologische Methode und einige Schwachstellen für das physiologische Trainieren von Pferden. Aus ihren Erkenntnissen entstand das Physio-Riding® Konzept.
Es stellt Pferd und Mensch zusammen in den Mittelpunkt der Betrachtung, da beide sich permanent gegenseitig beeinflussen. Im Unterricht geht es darum wirklich zu erklären und nicht nur Anweisungen zu rufen. Die (Reit-)SchülerInnen sollen verstehen was sie tun, damit sie es selbst anwenden können. Und im Bezug auf das Pferd gilt immer Kommunikation statt Manipulation als wichtigster Leitsatz. Auch das Pferd muss verstehen, was es tun soll, damit es die gewünschten Dinge physiologisch umsetzen und gesund bleiben kann.
Nach Sabines Tod im Jahr 2023 haben Tanja Schneider und ich (Andrea Büttner) die Markenrechte übernommen und führen die Schule für Physio-Riding® Coaches mit aufgefrischten Lernunterlagen weiter.
Gelassenheit steht vor dem körperlichen Training
Im Physio-Riding® gibt es eine eigene Ausbildungsskala, die Mensch und Pferd zusammenführt und als Einheit betrachtet. (Zur Ausbildungsskala wird es noch einen eigenen Blogartikel geben.) An erster Stelle steht dabei die Gelassenheit von Pferd und Mensch. Laut Duden bedeutet gelassen so viel wie “das seelische Gleichgewicht bewahrend; beherrscht, ruhig, gefasst”.
Natürlich braucht es nicht das unerschrockenste Pferd der Welt für gesund erhaltendes Training. Aber ein gewisses Maß ist wichtig. Denn die mentale und die körperliche Ebene lassen sich nicht voneinander trennen. Sie wirken immer zusammen. So hat ein unentspanntes, gestresstes oder ängstliches Pferd einen angespannten Körper. Dadurch wird die physiologische Muskelfunktion negativ beeinträchtigt. Es kommt zu Verspannungen, Ausweichbewegungen, Überlastungen und in Folge dessen zu Verschleiß und Schäden am Bewegungsapparat.
Und für die Kritiker: Das bedeutet nicht, dass sich das Pferd nicht bewegen darf, bis es gelassen ist. Es bedeutet, dass der Fokus auf die Gelassenheit gelegt wird. Und das Kraft-/Ausdauertraining so gestaltet wird, dass es physiologisch ist. Und bei einem Pferd z.B. mit einem großen Stressthema kann es bedeuten, dass das Reiten erstmal pausiert wird. (Bei einem sehr stressigen Pferd meist auch besser für die langfristige Gesundheit des Menschen, dem Stürze nicht so gut tun…)
Die Haltung des Menschen ist entscheidend
Um einem Pferd Gelassenheit zu vermitteln ist es wichtig, dass der Mensch dabei gelassen und entspannt ist. Und hier ist oft der erste Knackpunkt…
Wenn Du Angst vor den überschäumenden Reaktionen Deines Pferdes hast, dann kannst Du es nicht sicher und souverän begleiten. Dein Pferd spürt nur, dass Du Angst hast. Es kann nicht differenzieren wovor. Schaff also einen Rahmen für Dich in dem Du erstmal angstfrei mit Deinem Pferd arbeiten kannst.
Dein Wohlwollen ist entscheidend für das Gelingen. Wenn Du ins Gelassenheitstraining gehst mit dem inneren Antrieb “Dem Pferd zeig ich es jetzt mal. Immer dieser Affentanz wegen so ner Kleinigkeit!” dann kannst Du es gleich sein lassen. Dann ist es kein Training für das Wohl des Pferdes sondern von Anfang an ein Kampf gegen das Pferd.
Grundsätze des Gelassenheitstraining nach dem Physio-Riding® Konzept
Der wichtigste Grundsatz im Gelassenheitstraining ist “Beschütze Dein Pferd”! Das heißt, dass wir als Mensch die Quelle von Sicherheit sind. Das Pferd wird nicht vorgeschickt, um sich die Gefahr anzuschauen, sondern eher zurückgeschickt, damit sich der Mensch die Gefahr zuerst anschauen kann. Denn das ist der Job der Herdenleitung: Schauen ob das ängstigende Objekt wirklich gefährlich ist. Und diesen Blödsinn, dass das Pferd dem Menschen nicht vertraut, wen es nicht überall hingeht wo er/sie es hinschickt vergessen wir mal schnell wieder. Ich vertraue meinen Mann auch und würde trotzdem nicht in einen Raum mit Spinnen gehen…
Grundsätzlich gilt, dass das Pferd so gut im Blick sein sollte, dass es nicht überfordert wird und jederzeit lernfähig bleibt. Denn nur dann wird es mit dem Schreckensobjekt auch positive Erfahrungen verknüpfen und kann so die Angst davor loslassen. Dafür ist ein kleinschrittiges Vorgehen notwendig. Und die Größe der kleinen Schritte definiert das Pferd!
Du als Mensch musst in der Lage sein, ruhig zu bleiben und Dein Pferd souverän zu leiten und zu führen. Dafür ist es nötig, dass erstmal grundsätzliche Kommunikation stimmt und eine vertrauensvolle Basis gegeben ist.
Außerdem musst Du Deine eigenen Grenzen kennen und wahren können. Merkst Du, dass Deine Geduld, Empathie oder mentale Kraft zu neige geht, ist die Einheit beendet - egal welches Ergebnis gerade ist. Denn wenn Du nicht mehr begleiten kannst, sondern wütend und ungeduldig wirst, hat das Training keinen Wert mehr. Dann ist es doch wieder ein Kampf…
Wie läuft Gelassenheitstraining mit dem Physio-Riding® Konzept?
Zunächst ist es wichtig, dass Du Dein Pferd sicher führen kannst, Du Deinen Raum einnehmen kannst und ihr eine grundsätzliche Kommunikation miteinander habt.
Starte zunächst in einem umzäunten Bereich. Das gibt Dir die Sicherheit, dass Dein Pferd nicht weglaufen und sich oder andere gefährden kann. Sollte es kein Objekt sein, mit dem Dein Pferd ein Problem hat, dann probier die entsprechende Situation (z.B. Kontakt mit Fremdpferden) in einem sicheren Rahmen nachzubauen.
Du bist bei dem gesamten Gelassenheitstraining immer nur für die Begleitung des Pferdes da. Wenn ein Objekt bewegt werden soll, dann brauchst Du die Unterstützung einer anderen Person.
Behalte Dein Pferd gut im Blick, erkenne Stresszeichen und handle entsprechend. Hast Du eine Situation falsch eingeschätzt und Dein Pferd reagiert mit Überforderung, Gegenwehr oder Einfrieren brichst Du die Situation ab! Dein Pferd hat daran keine Schuld!
Erst wenn Dein Pferd die gesetzte Anforderung sicher besteht findet eine Steigerung statt. Entweder weitere Annäherung ODER Steigerung des Reizes. Niemals wird beides gleichzeitig intensiviert!
Und erst wenn Dein Pferd im umzäunten Bereich sicher ist und Objekt/Situation gut aushält kannst Du den Raum wechseln.
Muss ich dann immer an der Gelassenheit arbeiten?
Jein. Hat Dein Pferd ein Thema z.B. mit Treckern kannst Du natürlich ganz normal arbeiten, nur vermeidest eben den unkontrollierten Kontakt mit Treckern. Hat Dein Pferd mit Fremdpferden im Gelände ein Thema solltest Du erstmal nicht ausreiten, sofern Du nicht alle ReiterInnen des näheren Umfeldes von Ausritten zur gleichen Zeit sicher und zuverlässig abhalten kannst UND sicherstellen kannst, dass sich nicht irgendein anderer Fremdreiter in “Euere Areal” schleichen kann.
Ich empfehle auch, das Gelassenheitstraining nicht 6 Wochen lang intensiv und ausschließlich zu üben. Abwechslung ist hier das Motto. Das Pferd braucht zwischen den Trainings genauso Pausen, wie beim körperlichen Training. Optimalerweise arbeitest Du nach einer intensiven Einheit die nächsten zwei Tage an etwas anderem. Das braucht das Nervensystem Deines Pferdes zur Regeneration.
Am 29. Dezember 2025 um 19:30Uhr gebe ich eine kostenlosen Workshop zum Thema
“Gelassenheitstraining mit System”
➡️ Wir schauen uns die gängige Methode der Desensibilisierung in ihrer zerstörerischen Wirkweise an.
➡️ Wir schauen auf Deine Rolle im Gelassenheitstraining. Wie schaffst Du es ruhig zu bleiben? Wie kannst Du Dein Pferd am besten begleiten?
➡️ Wir schauen auf Stress bei Pferden, wie Du ihn erkennst und was es zu beachten gilt.
➡️ Wir schauen auf die Lerntheorie. Wie lernen Pferde eigentlich? Wie ändert sich das unter Stress und was gilt es dabei zu beachten?
➡️ Wir schauen natürlich auch auf das Gelassenheitstraining mit dem Physio-Riding® Konzept und nach welchen Kriterien wir arbeiten.
➡️ Und wir schauen darauf, wie wichtig Trainingsplanung besonders im Kontext Gelassenheitstraining ist.
Melde Dich direkt an und starte ins neue Jahr mit umsetzbaren Impulsen zu mehr Gelassenheit für Dein Pferd.
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