
Desensibilisierung ist das größte Unglück für die Pferde, die da durch müssen. Denn es stecken Lernmechanismen dahinter, die nichts mit effektivem Lernen zu tun haben.
Jetzt werden mit Sicherheit einige Verfechter der Desensibilisierung Schnappatmung bekommen und sagen: “Aber es wirkt!!! Die Pferde sind danach brav und akzeptieren das einst ängstigende Objekt!” Ja, das Ziel wird damit vermeintlich erreicht. Aber es kostet auf der Beziehungsebene einen hohen Preis und ist nicht zuverlässig.
Wie Desensibilisierung wirkt und was ich stattdessen rate erfährst Du in diesem Blog.
Inhaltsverzeichnis
Was wird eigentlich bei der Desensibilisierung gemacht?
Was geschieht im Pferd?
Was lernt das Pferd und was passiert bei späteren Begegnungen?
Die Folgen der Desensibilisierung
Schwerwiegende Folgen für die Beziehung vom Pferd zum Mensch
Mein Rat zum Abschluss
Was wird eigentlich bei der Desensibilisierung gemacht?
Desensibilisierung bedeutet, dass das Pferd weniger sensibel auf einen Reiz reagieren soll. Nun läuft das bei der Methode ab so ab, dass das Pferd so lange einem ängstigenden Reiz ausgesetzt wird, bis es vermeintlich nicht mehr auf diesen reagiert. Dann klopfen sich alle Beteiligten auf die Schulter und sagen: “Jetzt hat es verstanden, dass das Objekt gar nicht gefährlich ist.” Schade nur, dass dem nicht so ist!!!
Nehmen wir als Beispiel ein Pferd, das Angst vor Plastiktüten hat. Es würde also so lange mit einer Plastiktüte “belästigt” bis es nicht mehr versucht davor wegzulaufen. Meist ist das Pferd dabei am Halfter und wird von der Person mit der Plastiktüte in der Hand festgehalten. Es gibt aber auch Szenarien, in denen Mensch mit Tüte in der Mitte eines Roundpens steht und das Pferd panisch um diese Person herumrennt. Die Ausführung kann variieren, da ist der Phantasie der Menschen keine Grenze gesetzt. Leider. Manche Varianten wirken “schonender” und andere brutal. Die Wirkung bleibt die gleiche! Das Pferd wird nun so lange dem Reiz ausgesetzt bis es aufhört zu flüchten.
Was geschieht im Pferd?
Das Nervensystem des Pferdes ist im absoluten Alarmzustand. Es hat auf Notfallprogramm und Lebensrettung umgestellt. - Hier werden nun wieder einige kluge Menschen sagen: “Aber es ist doch nur eine Plastiktüte. Die IST doch gar nicht gefährlich!” Ja, das weißt Du, das weiß ich. Aber das Pferd eben nicht! Denn es hat ja gar nicht die Chance sich davon zu überzeugen. Es wird ja mit dem Reiz völlig überflutet.
Im Panikmodus setzt alles logische Denken aus und das System ist mit Überleben beschäftigt. Für das Pferd bedeutet das Flüchten. Da es aber an der richtigen Flucht gehindert wird versagt die Standard-Strategie. Und irgendwann gibt das Pferd auf. Denn es merkt “Ich kann der Situation nicht entkommen.” Also hört es auf zu flüchten und ergibt sich seinem Schicksal (in seinem Glauben dem Tod…!) Der Stress, die Angst etc. sind aber damit nicht wie weggepustet. Das Pferd weiß nur intuitiv, dass es nicht weg weiter flüchten kann ohne wegzukommen.
Was lernt das Pferd und was passiert bei späteren Begegnungen?
Das Pferd lernt durch die Desensibilisierung also nichts über den Gegenstand Tüte. Es lernt NICHT, dass die Tüte ungefährlich ist. Es lernt, dass es nichts bringt vor der Tüte zu flüchten. Und es lernt, dass vom Menschen keine Hilfe zu erwarten ist. Denn in der Regel ist es der Mensch, der auch mit dem Pferd arbeitet derjenige mit der Tüte und dem Strick in der Hand. (Ist das nicht traurig und genau das, was wir nicht wollen???)
Bei den folgenden Begegnungen mit Tüten kann es sein, dass das Pferd noch mal heftig reagiert und die Prozedur wiederholt wird. Die Reaktion auf die Tüte wird aber immer schwächer. ABER der innere Stress wird nicht geringer!
Das Prinzip ist mit dem Schlaftraining von Kindern vergleichbar, bei denen Kinder in ihrem Bett schreien gelassen werden, damit sie lernen allein einzuschlafen. Studien haben ergeben, dass das Training zwar bewirkt, dass sich die Kinder nicht mehr laut bemerkbar machen und auch nicht mehr weinen. ABER der Cortisolgehalt im Blut war deutlicherhöht, was zeigt, dass die Kinder erheblichen Stress haben, auch wenn sie von außen nicht so wirken.
Die Folgen der Desensibilisierung
Die Folgen dieses unterdrückten Stress’ können sich mental und körperlich zeigen. Introvertierte Pferde werden immer weniger selbstbewusst und nehmen weniger Teil an der Umwelt. Sie ziehen sich in sich selbst zurück. Sie gelten dann oft als “brav” und bekommen den Titel “Verlasspferd”. Pferde dagegen, die eher extrovertiert sind werden “aufmüpfig”, unkontrollierbar und meist nennt man sie irgendwann “Problempferd”.
Lies dazu auch meinen Blogbeitrag “Entspannt, erzogen oder abgeschaltet?”
Aber nicht nur auf der mentalen Ebene können sich die Folgen dieses Umgangs zeigen. Auch körperliche Folgen werden sich zeigen. Denn Körper und Psyche lassen sich voneinander nicht trennen. Durch die Anspannung der Muskulatur nutzt das Pferd seinen Körper nicht mehr physiologisch. Es kommt zu Verschleiß am Bewegungsapparat.
Schwerwiegende Folgen für die Beziehung vom Pferd zum Mensch
Und auch auf der Beziehungsebene entsteht enormer Schaden. Wenn Du die Desensibilisierung Deines Pferdes selbst durchführst bist Du diejenige, die das “Monster” in der Hand hat und es einfach nicht verschwinden lässt. Du bist sogar diejenige, die mit dem “Monster” immer wieder hinter dem Pferd herkommt. Und eigentlich solltest Du diejenige sein, die dem Pferd Sicherheit vermittelt. Die kluge Entscheidungen trifft, damit das Pferd nicht in Todesangst versetzt wird. Die Vertrauensperson und Problemlöserin ist. Die weise führt und das Wohl der Partnerschaft wahrt und sicherstellt.
Alles das machst Du mit Desensibilisierung kaputt. Und das gilt auch, wenn Du dabei anwesend bist und Deinem Pferd nicht hilfst! Denn Dein Pferd weiß, dass Du anwesend bist!
Mein Rat zum Abschluss
An dieser Stelle ein kurze Zusammenfassung: Handle nach dem Motto “Beschütze Dein Pferd”. Bring es nicht in Situationen, in denen es vor Eindrücken und Reizen überflutet ist. Und sollte das doch passieren (die Umwelt ist nicht immer kontrollierbar): Lass es damit nicht allein, sondern unterstütz es. Brich die Situation ab. Führ Dein Pferd souverän an und sei eine echte Leaderin. Sorg für Schutz, Sicherheit und Komfort.
Du möchtest keinen Blogartikel oder andere Informationen von mir mehr verpassen?
Dann trag Dich direkt für meinen Newsletter ein. In meinem Newsletter bekommst Du einmal pro Woche eine Mail mit interessanten Inhalten zu gesundem und harmonischem Pferdetraining. Außerdem stelle ich Dir dort alle neuen Projekte vor und Du hast die Chance vor allen anderen Dir Deinen Platz z.B. in Kursen zu sichern - oft mit einem kleinen Newsletter-Rabatt.
Du möchtest mir eine Rückmeldung zu dem Blog oder einem bestimmten Blogartikel geben?
Dann geht das ganz unkompliziert über dieses Formular. Dann bekomme ich Dein Feedback direkt in mein Email-Postfach.
Ich freue mich darauf von Dir zu lesen.
