“Die ist einfach so brav und gut erzogen, mit der kann man alles machen.” Ein verliebter Blick auf das Pferd daneben, sanftes tätscheln und kraulen. Alles sieht liebevoll und freundlich aus und trotzdem klingeln bei mir kleine Alarmglöckchen im Kopf die sagen: “Schau mal genauer hin.” Und in vielen Fällen sehe ich ein reglos stehendes Pferd, starrer Blick und keine Reaktionen. Und dann bricht jedes Mal etwas in meinem Herz. Denn dieses Pferd hat gelernt, dass seine Meinung nicht zählt, dass es sich nicht äußern braucht, weil es eh nicht gehört wird und das es keine Chance gegen Menschen hat. Denn leider ist es noch viel zu verbreitet, dass Pferde funktionieren müssen und es gefährlich ist, wenn sie ihre Meinung äußern dürfen.



Inhaltsverzeichnis

Wo kommt der Wunsch nach einem braven Pferd her?

Dominanztheorie näher betrachtet - Was ist wirklich dran?

Wie wahre Pferde-Führungspersönlichkeiten wirklich sind

Wie kommt es dazu, dass Pferde “abschalten” und was heißt das eigentlich?

Woran erkenne ich, ob mein Pferd brav oder abgeschaltet ist?

Oje, mein Pferd schaltet ab…



Wo kommt der Wunsch nach einem braven Pferd her?

Ich denke, dass es zum einen damit zu tun hat, dass das Pferd historisch gesehen für den Arbeitseinsatz domestiziert wurde. Es sollte Menschen transportieren, Äcker bearbeiten, Herden hüten und in den Krieg ziehen. Es hatte einen klaren Job, bei dem es einfach mitmachen sollte.

Und zusätzlich leben wir in einer Gesellschaft, in der eigene Meinung nur von ranghohen Menschen als wirklich akzeptiert gilt. Kindern wird ihre eigene Meinung und ein eigener Wille mit ähnlich rabiaten Methoden (körperlich und psychisch) ausgetrieben wie Pferden. Und auch die Meinung von Frauen ist sehr wenig akzeptiert. Wir lernen also in unserer Kindheit schon, dass eigene Meinung nicht gilt und dass es immer eine stärkere Autorität gibt, die einen dominiert. Und dieses System setzt sich dann im Zusammenleben mit den Pferden fort.

Und außerdem kommt noch eine gewisse Angst dazu. Denn vielfach höre ich, dass Pferde gefährlich wären und man sie deshalb unbedingt kontrollieren müsse. Es wird über den Quatsch mit dem Alphatier geredet und dass es in Pferden einen unumstößlichen Boss gäbe, der alles bestimmt.



Dominanztheorie näher betrachtet - Was ist wirklich dran?

Und genau aus diesem Blödsinn, der über das Zusammenleben von Pferden erzählt wird, entspringt die Legitimierung für physische und psychische Gewalt.

Pferde sind von ihrem Wesen her friedliche Wesen, die Kämpfen eher aus dem Weg gehen. In der Natur sind sie Beutetiere. Das bedeutet: Verletzungen oder Schwäche können den Tod bedeutet. Wenn Du den Status hast überlegst Du Dir zweimal, ob Du wirklich kämpfst.

Und wenn Pferde kämpfen geht es nicht um Status, sondern immer um Ressourcen wie Futter, Wasser, Sexualpartner, Raum. (Letzteres gilt für domestizierte Pferde, in der Prärie gibt es genug Raum.) Und daraus wird auch schnell klar, dass wir eigentlich gar keine Kampfpartner für unsere Pferde sind… Und trotzdem kämpfen wir mit ihnen so oft. Aber das wird Thema eines anderen Beitrags.

Die Alphatheorie entsteht, wenn man sich gefangene Pferde mit zu wenig Platz (und das kann individuell sein!), eingeteiltem Futter und einer nicht passenden Herde anschaut. Da gibt es die Pferde, die durch Brutalität auffallen, vor denen alle weggehen sobald dieses Pferd nur schief guckt. Aber das ist kein Anführer, das ist ein Tyrann. Und diese Eigenschaft wird leider in der Reiterwelt weitergegeben als so sollte der Mensch führen.



Wie wahre Pferde-Führungspersönlichkeiten wirklich sind

Was hab ich schon für Blödsinn gehört: Das Pferd müsse jederzeit weichen und ich müsse jederzeit den Platz des Pferdes einnehmen können. Ansonsten respektiert es mich nicht. Eine WIRKLICHE Pferde-Führungspersönlichkeit bricht sich keinen Zacken aus der Krone, wenn es um ein rangniedrigeres Pferd herumgeht. Und es würde nie auf die Idee kommen “aus Prinzip” sich auf den Platz eines anderen stellen zu wollen. Was hat es davon? Wenn es das tut hat es einen Grund. Z.B. ist der Platz gut für den Überblick und das ranghöchste Pferd trägt die Verantwortung für die Herde.

Pferde-Führungspersönlichkeiten verstehen es, ihre Herde um Gefahren herumzuführen. Sie sorgen für die Sicherheit und das Wohlbefinden aller Mitglieder. Klar gibt es auch Regeln in der Herde und es wird auch mal gegiftet, gebissen und getreten. Doch es geht dabei nie um Macht und Dominanz, sondern um die Sicherheit der Herde und das Wahren des eigenen Individualraums.

Pferde-Führungspersonen sind Verantwortungsträger. Ihr Ziel ist es, die Herde sicher von Futter- zu Wasserplätzen zu führen. Sie sichern das Überleben der Herde.



Wie kommt es dazu, dass Pferde “abschalten” und was heißt das eigentlich?

Durch die falsch verstandene Dominanz kommt es aber leider dazu, dass unter Pferdemenschen immer noch weitergegeben wird, dass Pferde “nicht zimperlich” miteinander sind und es jemanden geben muss, der das Sagen hat. Jederzeit. Ohne Wiederrede. Egal wie unsinnig die Forderung ist.

Im Kriegseinsatz war das entscheidend für das Überleben. Denn das Pferd kann eine Schlachtszenario noch schwerer überblicken wie ein Mensch. In diesem Fall musste es umsetzen, was der Mensch auf dem Rücken sagte ohne zu hinterfragen.

Pferden kann durch körperliche oder psychische Maßnahmen beigebracht werden, dass sie nichts zu sagen haben und bloße Befehlsempfänger sein sollen. Das beginnt schon am Putzplatz. Dem jungen Pferd sollte gelehrt werden, dass ruhiges Stehen am Putzplatz lohnenswert ist und wie es das als ungeduldiger Jungspund ertragen kann. Dafür ist es notwendig kleinschrittig zu arbeiten. Erstmal nur so lange wie das Pferd es kann. Egal, ob es dann schon mit zwei Bürsten rundherum geputzt ist oder nur eine halbe Seite geschafft wurde. Zum Abschalten bekommen wir Pferde, die bei jeder Bewegung so lange “korrigiert” werden, bis sie wieder still stehen. Und das nicht nur einmal sondern dutzende Male. Unter Überschreitung jeglicher Konzentrationszeiten. (Und das Jungpferd kann da bei 5 Minuten Konzentrationsfähigkeit liegen…) Das Pferd wird also mental überflutet mit Informationen, Reizen, Maßnahmen etc. Zuerst wehrt es sich und irgendwann schaltet das System ab und geht in die Ergebung über. Das ist der Moment wo viele Menschen sich rühmen, das Pferd habe gelernt ruhig zu sein. Aber hier beginnt das Abschalten. Das Pferd hat durch die Überforderung gelernt, dass es sicherer ist keine Meinung zu haben und nichts gegen den Menschen zu machen.



Woran erkenne ich, ob mein Pferd brav oder abgeschaltet ist?

Als erstes möchte ich das Wort “brav” ersetzen gegen cool. Brav bedeutet für mich: sei lieb, hab keine Widerworte und tu was ich Dir sage… Cool heißt für mich: Mich kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Ich ruhe in mir und bin mir meiner selbst sicher.

Das abgeschaltete Pferd steht ohne Rührung an einem Ort. Solange bis es vom Menschen dazu aufgefordert wird sich zu bewegen. Auch wenn das eine Stunde dauert. Die Augen wirken stumpf und nach innengerichtet. Bewegt sich der Mensch neben ihm zeigt das Pferd trotzdem keine/kaum Regung. Die Ohren werden nicht aufmerksam gedreht und nehmen teil, sondern hängen seitlich herab.

Das coole Pferd nimmt seine Umwelt war und reagiert auf sie. Die Augen sind wach, es schaut sich um. Es bewegt den Kopf, macht auch mal einen kleinen Schritt nach vorne oder zur Seite, weil es zulange in einer Position stand. Wenn es ihm zu langweilig wird sucht es sich Beschäftigung. Es schnüffelt die Bande ab, durchsucht den nächststehenden Menschen, scharrt im Sand oder versucht sich zu wälzen.

Beobachte Dein Pferd also immer genau. Nimmt es an der Welt teil? Zeigt es Regungen? Wirkt es anwesend?

Oje, mein Pferd schaltet ab…

Und wenn Du merkst, mein Pferd schaltet ab… Nimm nicht sofort die Schuld zu Dir, es kann auch erlerntes Verhalten von früher sein. ABER nur weil Du es nicht ausgelöst hast bist Du leider nicht raus aus der Verantwortung. Denn jetzt geht es darum, Dein Pferd zurück zu holen und dafür zu sorgen, dass es nicht mehr abschalten muss. Dass es wieder teilhaben soll und darf. Dass es eine Meinung entwickeln kann.

Und falls jetzt die Sorge kommt: Aber mein Pferd kann doch nicht ab sofort alles dürfen, es muss doch Regeln geben… JA! Es bedeutet nicht Anarchie für Dein Pferd. Du darfst in Führung gehen. Du darfst leiten. Aber nicht unterdrücken.



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Hier kommst Du zur Anmeldung für den Workshop am Montag, den 29.12.2025 um 19:30Uhr


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